Sunday, June 17, 2012

(Über die zwei Arten von Lachen)


Wer den Teufel als den Vertreter Des Bösen und den Engel als Kämpfer für Das Gute betrachtet, übernimmt die Dämagogie der Engel. Die Sache ist selbstverständlich komplizierter.
Die Engel sind nicht die Vertreter Des Guten, sondern der göttlichen Schöpfung. Der Teufel hingegen spricht der göttlichen Welt jeden vernünftigen Sinn ab.


Bekanntlich teilen sich die Teufel und die Engel Macht über die Welt. Das Gute auf der Welt verlangt jedoch nicht, dass die Engel die Übermacht über die Teufel hätten, sondern eine ungefähre Ausgewogenheit. Wenn es auf der Welt allzuviel unanfechtbaren Sinn gibt (Herrschaft der Engel), bricht der Mensch unter dessen Last zusammen. Verliert die Welt jedweden Sinn (Herrschaft der Teufel), lässt es sich gleichfalls nicht leben.


Dinge, die plötzlich ihren herkömmlichen Sinn einbüssen, den Platz, der ihnen in der vermeintlichen Ordnung der Dinge zusteht (ein in Moskau geschulter Marxist, der an Horoskope glaubt), reizen uns zum Lachen. Ursprünglich kommt das Lachen also von den Teufeln. Darin liegt ein Stück Boshaftigkeit (die Dinge erscheinen anders, als sie vorgeben zu sein), aber auch ein Stück wohltuender Erleichterung (die Dinge sind leichter, als sie scheinen, man kann freier mit ihnen leben, sie bedrücken uns nicht mit ihrem strengen Ernst).


Als der Engele zum ersten Mal das Lachen des Teufels hörte, erstarrte er. Es geschah während irgendeines Festmahls, es waren viele Leute versammelt, und sie stimmten einer nach dem andern in das Lachen des Teufels ein, denn es war ansteckend. Der Engel begriff gut, dass dieses Lachen gegen Gott und die Würde seines Werkes gerichtet war. Ihm wurde klar, dass er rasch reagieren musste, doch er fühlte sich wehrlos und schwach. Da er nicht in der Lage war, selber etwas zu erfinden, ahmte er seinen Widersacher nach. Er öffnete den Mund und gab einen unterbrochenen, abgerissenen Klang in der höheren Tonlage seines Stimmregisters von sich und verlieh ihm den gegenteiligen Sinn: während das Lachen des Teufels auf die Sinnlosigkeit der Dinge verwies, wollte der Schrei des Engels sich darüber freuen, dass alles auf der Welt vernünftig geregelt, richtig ausgedacht, schön, gut und sinnvoll sei.


Und so standen sie einander gegenüber, Teufel und Engel, öffneten den Mund und gaben annährend den gleichen Ton von sich, aber jeder drückte durch seine Klangfarbe das Gegenteil des andern aus. Und der Teufel schaute auf den lachenden Engel und lachte immer lauter, besser und aufrichtiger, da der lachende Engel unheimlich lächerlich war.


Ein Lachen, das zum Lachen ist, ist ein Debakel. Trotzdem haben die Engel eines geschafft: Dank eines semantischen Betrugs haben sie uns alle hinters Licht geführt. Ihre Imitation des Lachens und das ursprüngliche Lachen (das Lachen des Teufels) werden mit demselben Wort bezeichnet. Die Menschen sind sich heute nicht mehr bewusst, dass die gleiche äusserliche Erscheinung zwei völlig verschiedene innere Haltungen in sich birgt. Es gibt zwei Arten von Lachen, und uns fehlt das Wort, um die beiden Phänomene voneinander zu unterscheiden.


(aus "Das Buch vom Lachen und Vergessen" von Milan Kundera)

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